Anwendung der Sensorfusion auf Beschleunigungsmesser und Gyroskope

Von Bonnie Baker

Zur Verfügung gestellt von Nordamerikanische Fachredakteure von DigiKey

Beschleunigungssensoren und Gyroskope sind die Sensoren der Wahl für die Erfassung von Beschleunigungs- und Rotationsinformationen in Drohnen, Mobiltelefonen, Kraftfahrzeugen, Flugzeugen und mobilen IoT-Geräten. Jedoch sind sowohl Beschleunigungsmesser als auch Gyroskope fehleranfällig, z. B. gegen Rauschen oder gegen Drift, sodass die Entwickler neue Ansätze zur Erzielung einer optimalen Genauigkeit benötigen.

Einer dieser Ansätze ist die Fusion von Sensoren. Dieser Artikel untersucht Beschleunigungssensoren und Gyroskope unabhängig voneinander, um zu sehen, wie Fehler durch Rauschen und Drift entstehen. Dann werden Beispiele für beide Sensortypen vorgestellt, und es wird gezeigt, wie mit Techniken der Sensorfusion die Ergebnisse beider Sensoren kombiniert und die Auswirkungen dieser Fehler reduziert werden können.

Wahl des richtigen Sensors

Ein Beschleunigungsmesser misst sämtliche an einem Objekt angreifenden linearen Kräfte in der Einheit Millivolt/g (mV/g). Ein sich bewegendes Objekt kann zusätzlich zur Schwerkraft als ständiger statischer Kraft eine dynamische Bewegung wie eine Beschleunigung erfahren. Durch Anbringen eines Beschleunigungsmessers an ein Objekt können seine Beschleunigung und die einwirkende Schwerkraft gemessen werden. Allerdings neigen Beschleunigungsmesser mit der Zeit zu Positionsfehlern.

Bild einer Drohne von STMicroelectronics mit 3D-Beschleunigungsmesser und 3D-Gyroskop

Abbildung 1: Eine Drohne mit dreidimensionalem Beschleunigungsmesser und 3D-Gyroskop meldet seine Position erfolgreich an die Bodenkontrollstation. (Bildquelle: Wikipedia und STMicroelectronics)

Das Gyroskop gibt die Änderung des auf das Objekt wirkenden Winkelversatzes mit der Zeit an. Die Einheit ist mV pro Grad pro Sekunde (mV/deg/sec). Nach Befestigung des Gyroskops an einem Objekt misst der Sensor ständig die Änderung seines Winkelversatzes. Gyroskope bilden aber mit der Zeit einen stetig anwachsenden Winkelfehler aus.

Viele Beschleunigungsmesser und Gyroskope sind aus mikro-elektromechanischen Systemen (MEMS) aufgebaut. Im Produktionsprozess des MEMS-Sensors werden Halbleiter- und mechanische Funktionen auf demselben mikrometerdünnen Silizium-Substrat kombiniert. Die wichtigsten Komponenten dieser Bauteile sind mechanische Elemente, der Sensormechanismus und die anwendungsspezifische integrierte Schaltung (ASIC).

MEMS als Beschleunigungsmesser

Für die Herstellung eines einzigen MEMS-Beschleunigungsmessers werden stationäre Siliziumplättchen und mechanische Federn verwendet, die auf äußere Kräfte reagieren (Abbildung 2).

Abbildung: Modell eines MEMS-Beschleunigungsmessers

Abbildung 2: Im Modell des MEMS-Beschleunigungsmessers werden mithilfe von Halbleiter- und mechanischen Elementen Beschleunigungen in Kapazitätsänderungen umgesetzt. (Bildquelle: HowToMechatronics.com)

Eine verbreitete MEMS-Sensortechnik besteht darin, variable Kondensatoren auf dem Chip zu verwenden. Bei Bewegung bleiben die festen grünen Plättchen statisch, während sich die orangefarbene Masse entlang der Beschleunigungsachse bewegt. Bei dieser Bewegung ändern sich die Kapazitätswerte C1 und C2 mit dem Abstand zwischen dem festen Plättchen und der Masse.

Detailansicht des Aufbaus eines der Kondensatoren des MEMS-Beschleunigungsmessers

Abbildung 3: Detailansicht des Aufbaus eines der Kondensatoren des MEMS-Beschleunigungsmessers. (Bildquelle: DigiKey)

Die quantitative Änderung der Werte C1 und C2 hängt vom Abstand d der beiden Kondensatorplatten ab (Abbildung 3).

Formel 1

Dabei gilt:

ε0 = Dielektrizitätskonstante der Luft = 8,85 x 10-12 Farad/Meter

εr = Dielektrizitätskonstante des Substrats relativ zur Luft

L = Länge der angrenzenden festen Platte und der Masse

W = Dicke der festen Platte und der Masse

d = Abstand zwischen den festen Platten und der Masse

Die wichtigste Variable in Formel 1 ist d. Die Abstandsänderung bleibt bei konstanter Beschleunigung und Schwerkraft konstant. Wenn der Sensor in Ruhe ist oder ein Zustand konstanter Geschwindigkeit erreicht wird, ist die Struktur im Ruhezustand. Die Wirkung der Schwerkraft ist aber nach wie vor vorhanden.

Der Kapazitätswert dieser Kondensatoren kann als einzelne Einheit im Sub-Picofarad-Bereich (pF) liegen. Wenn mehrere Platten parallel angeordnet werden, erreichen die Werte einen nutzbaren Bereich.

Als Beispiel einer Messschaltung für diese Kondensatoren werden C1 und C2 als Spannungsteiler zwischen einander gegenüberliegenden Spannungsquellen angeordnet (Abbildung 4). Das Signal durchläuft einen Tiefpass und wird dann mit einem Delta-Sigma-ADC (Analog-Digital-Wandler) digitalisiert.

Diagramm von Maxim: C1 und C2 bilden einen Spannungsteiler zwischen zwei gegenüberliegenden Spannungsquellen

Abbildung 4: In einer Beispielimplementierung bilden C1 und C2 einen Spannungsteiler zwischen zwei einander gegenüberliegenden Spannungsquellen, und der Ausgang wird digitalisiert. (Bildquelle: Maxim Integrated)

3D-Beschleunigungsmesser

In einem 3D-Beschleunigungsmesser sind drei Sensoren orthogonal zueinander angeordnet (Abbildung 5).

Diagramm der x-, y- und z-Achse eines 3D-Beschleunigungsmessers

Abbildung 5: Ein 3D-Beschleunigungsmesser liefert Ausgabedaten für die Beschleunigungen entlang der x-, y- und z-Achse. (Bildquelle: STMicroelectronics)

Der Messmechanismus für alle drei Beschleunigungen ist wiederum kapazitiv. Ein geeigneter Beschleunigungsmesser für durch Bewegung aktivierte Funktionen ist der 3-Achsen-Beschleunigungsmesser mit Digitalausgang LIS2DW12TR von STMicroelectronics. Der LIS2DW12TR ist ein MEMS-3D-Beschleunigungsmesser mit Digitalausgang und vier verschiedenen Betriebsmodi: Hochauflösend, Normal, Energiesparend und Ausgeschaltet.

Der Hochauflösungsmodus bietet sehr genaue Messungen aufgrund seines 14-Bit-Datenausgangs. Wenn das Maßstabsbit auf ±2 g festgelegt wird, liegt die typische Empfindlichkeit des Hochauflösungsmodus bei 0,244 millig/digit (mg/digit, mg pro Stelle). Wenn das Maßstabsbit dagegen auf ±16 g festgelegt wird, liegt die typische Empfindlichkeit des Hochauflösungsmodus bei 1,952 mg/Stelle. Der Baustein hat eine im Werk eingestellte typische Null-g-Offsetgenauigkeit von ±20 mg.

Ein 3D-Beschleuigungsmesser misst die lineare Beschleunigung entlang der x-, y- und z-Achse. Bei Rotationen, z. B. beim Rollen, bleiben die Abstände zwischen der internen festen Platte und der Masse unverändert. So reagiert der Beschleunigungsmesser nicht auf Winkelgeschwindigkeiten. 

Mit diesem Attribut eignet sich ein 3D-Beschleunigungsmesser für Aufgaben wie Bewegungserkennung, Gestenerkennung, Bildschirmorientierung und Erkennung des freien Falls. Er kann aber nur einen Teil der Messanforderungen einer Drohne erfüllen.

Dreidimensionale Gyroskope

Die Funktion eines MEMS-Gyroskops beruht ebenfalls auf der sich ändernden Kapazität zwischen Halbleiter- und mechanischen Elementen, aber es generiert durch seine Konfiguration Kapazitätsänderungen bei Änderungen des Winkelversatzes.

In einem 3D-Gyroskop sind drei Sensoren orthogonal zueinander angebracht (Abbildung 6). Eine Messung der g-Kraft wird in Fuß/Sekunde/Sekunde (ft./s/s) angegeben, wobei 1 g der Gravitationskraft auf der Erde entspricht. Der Sensormechanismus ist für alle drei Gyroskope wiederum kapazitiv.

Diagramm eines dreidimensionalen Gyroskops

Abbildung 6: Ein dreidimensionales Gyroskop liefert Daten über die Winkelgeschwindigkeiten der Drehungen um die x-, y- und z-Achse. (Bildquelle: STMicroelectronics)

Ein geeignetes Gyroskop für Navigationssysteme ist das dreiachsige Gyroskop mit Digitalausgang I3G4250D von STMicroelectronics. Es liefert 16-Bit-Ausgabedaten.

Wenn das Maßstabsbit auf 245 Grad pro Sekunde (dps), festgelegt ist, beträgt die typische Empfindlichkeit 8,75 Milligrad pro Sekunde pro Stelle (mdps/digit). Wenn das Maßstabsbit dagegen auf 2000 dps festgelegt wird, liegt die typische Empfindlichkeit des Hochauflösungsmodus bei 70 mdps/Stelle. Der typische Nullratenpegel des Bausteins beträgt ±10 dps. Aufgrund dieses Nullratenpegels und der Empfindlichkeit können die Konstrukteure auf eine weitere Kompensation und Kalibrierung bei der Produktion verzichten.

Ein 3D-Beschleuigungsmesser misst die Winkelgeschwindigkeit um die x-, y- und z-Achse. Wenn auf ein Gyroskop eine lineare Beschleunigung wirkt, bleiben die Abstände zwischen der internen festen Platte und der Masse unverändert. So reagiert das Gyroskop nicht auf lineare Beschleunigungen.

Mit diesen Eigenschaften ist ein 3D-Gyroskop für Zwecke wie Bewegungssteuerung, Elektrogeräte und Robotik geeignet. Die Kombination eines Gyroskops mit einem Beschleunigungsmessers könnte nun die Messanforderungen einer Drohne erfüllen.

Kombination von 3D-Beschleunigungsmesser und 3D-Gyroskop

Ein Beschleunigungsmesser und ein Gyroskop haben jedes für sich große Vorteile in einem Navigationssystem, aber die Daten sind bei beiden in gewissen Bereichen unsicher. Wenn beide Sensoren Daten für dasselbe Phänomen erfassen, d. h. über die Bewegung eines Objekts, ist es vielversprechend, die Ausgangsdaten beider Sensoren zusammenzuführen. Dies ist mit einer Fusionsstrategie für die Sensoren möglich.

Die Sensorfusionstechniken verbinden Sensordaten aus verschiedenen Quellen und generieren Informationen mit weniger Unsicherheit, bzw. mit höherer Genauigkeit. Im Fall von Gyroskopen und Beschleunigungsmessern sind beide in der Lage, die Fehler durch Rauschen und Drift des anderen zu relativieren und so ein vollständigeres und genaueres Bild der Bewegung zu liefern.

Die Kombination der Ausgaben beider Sensoren wird durch die Implementierung des sogenannten Kalman-Filters oder Komplementierungsfilters bewirkt. Der Kalman-Filter ist ein leistungsfähiges Werkzeug, das Informationen bei Unsicherheit kombiniert. Für sich ständig ändernde dynamische Systeme ist ein derartiger Filter ideal.

Für die Kombination der Daten des 3D-Beschleunigungsmessers und des 3D-Gyroskops ist es am effektivsten, wenn sich beide Funktionen in demselben Bauteil befinden. Ein Beispiel für ein derartiges Bauteil ist der 3D-Bescheunigungsmesser mit 3D-Gyroskop LSM6DS3HTR von STMicroelectronics. Entsprechende Anwendungen für dieses Bauteil sind Schrittzähler, Bewegungsverfolgung, Gestenerkennung und Neigungsfunktionen.

Der LSM6DS3HTR verfügt über einen dynamischen vom Benutzer definierbaren Beschleunigungsmessbereich von ±2/±4/±8/±16 g, und einen Winkelmessbereich von ±125/±245/±500/±1000/±2000 dps. Die Werte sind mit denen der eigenständigen Sensorbausteine vergleichbar.

Bei der Kombination von 3D-Beschleunigungsmessern und 3D-Gyroskopen nutzt der Komplementärfilter bzw. Kalman-Filter die Genauigkeit des Gyroskops, da es nicht auf äußere Kräfte reagiert. Auf lange Sicht werden die Daten des Beschleunigungsmessers verwendet, da sie keiner Drift unterliegen.

Die Softwaregleichung für den Filter in seiner einfachsten Form lautet:

Gleichung 2

Diese Werte werden über die Zeit integriert.

Darüber hinaus bietet STMicroelectronics umfassende Software zur Unterstützung von Messungen mit seinen STM32-Mikrocontrollern.

Fazit

Während die Entwickler daran arbeiten, immer genauere Informationen über bewegte Objekte zu extrahieren, können 3D-MEMS-Beschleunigungsmesser und -Gyroskope zusammen mit einer Sensorfusionsstrategie eine zuverlässige Lösung für Bewegungs- und Navigationsprobleme liefern.

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Über den Autor

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Bonnie Baker

Bonnie Baker ist eine aktive Autorin bei Digi-Key Electronics. Burr-Brown, Microchip und Texas Instruments vereinfachten ihr die Beschäftigung mit analogem Design und analogen Systemen seit mehr als 30 Jahren. Bonnie hat einen Master of Science in Elektrotechnik von der University of Arizona (Tucson, Arizona) und einen Bachelor-Abschluss in Musikausbildung von der Northern Arizona University (Flagstaff, Arizona). Zusätzlich zu ihrer Faszination für analoges Design hat Bonnie den Ehrgeiz, ihr Wissen und ihre Erfahrung durch die Veröffentlichung von bisher über 450 Artikeln, Design-Notizen und Anwendungshinweisen weiterzugeben.

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